Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als die Veränderung…

Diese Aussage Charles Darwins macht deutlich, dass steter Wandel und die damit verbundenen Veränderungen immer wiederkehrende Grundelemente im Leben sind. Sie sind unvermeidlich, und das ist auch gut so, denn ohne Veränderungen würden wir immer nur auf der Stelle treten – Entwicklung und Wachstum wären unmöglich. Dennoch widerstrebt diese Zwangsläufigkeit der menschlichen Natur, fordert die Veränderung doch Flexibilität und die fortwährende Bereitschaft in Bewegung zu bleiben.

 

Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen

Als nehemia team lernen wir erneut, uns von Gott weiter bewegen zu lassen, mit diesem Wandel umzugehen und im Gottvertrauen uns hierin so zu entwickeln, zu wachsen und die Veränderungen zu nutzen, dass diese uns weiterhin zum Ziel Gottes führen. Was heißt das konkret? Gott legte einen wichtigen Text aus der Bibel in unsere Mitte: Euch wende ich mich zu, mache euch fruchtbar und zahlreich und halte meinen Bund mit euch aufrecht. Ihr werdet noch von der alten Ernte zu essen haben und das Alte hinausschaffen müssen, um Platz für das Neue zu haben. Ich schlage meine Wohnstätte in eurer Mitte auf und habe gegen euch keine Abneigung. Ich gehe in eurer Mitte; ich bin euer Gott, und ihr seid mein Volk. Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus dem Land der Ägypter herausgeführt hat, so dass ihr nicht mehr ihre Sklaven zu sein braucht. Ich habe eure Jochstangen zerbrochen und euch wieder aufrecht gehen lassen. (3. Mose 26, 9-13)

Entwicklung und Veränderungen vollziehen sich in einem immer wiederkehrenden periodischen Prozess. Hierbei durchlaufen Menschen wie auch Organisationen unterschiedliche Phasen. Der jüdische Harvard-Professor William Bridges hat den Auszug Israels im alten Bund im Hinblick auf dessen exemplarischen Charakter für Veränderungsprozesse analysiert. Im Ergebnis hat er ein zyklisches Fünf-Phasen- Modell herausgearbeitet, das heute noch seine Gültigkeit hat. Es lässt sich sowohl auf den individuellen wie auch auf den organisationalen Lebensraum übertragen. Der Erfolg der jeweiligen Lernphasen ist von spezifischen Grundhaltungen und Eigenschaften geprägt.

 

Phase 1 – Das alte Land und die Fähigkeit, einen Abschluss zu finden

… oder auch die Macht vergangener Strukturen, Formen und Lebensmuster

Was immer im Leben zur Gewohnheit wird, gibt Sicherheit. Fest verwurzelte Formen und Traditionen helfen, sich im Leben zu verwurzeln, und geben für das eigene Handeln Orientierung. Als Organisation hat das nehemia team ebenfalls solche fest verankerten Strukturen und Gewohnheiten, die stark von unserem Auftrag (Leben entwickeln) geprägt sind. So hat Gott uns seit unserer Gründung eingesetzt, gebraucht und uns vielseitig und vielschichtig zu Segen für sehr viele Menschen sein lassen. Doch sprach Gott deutlich: „…Ihr werdet noch von der alten Ernte zu essen haben und das Alte hinausschaffen müssen, um Platz für das Neue zu haben…“ Wollte Gott uns etwas deutlich machen? – Ja! Der Auftrag bleibt, aber die Art und in der Weise, wie dieser Auftrag umgesetzt wird, wird sich ändern! Wir erlebten, dass in der Umsetzung unseres nehemia-Auftrages Segen erfahrbar wurde, erfuhren aber an verschiedenen Stellen immer deutlicher gewisse Beeinträchtigungen in unserer Wirksamkeit. Wir verstanden: So wie wir in der Vergangenheit agiert hatten, war es richtig und sinnvoll. Doch in der jüngeren Vergangenheit sahen wir immer deutlicher Grenzen, die ein zukünftiges Wachstum in unserer Wirksamkeit hemmen würden. Worin lag nun unsere größte Herausforderung? Der englische Ökonom John Maynard Keynes umschrieb diese Herausforderung als folgendes grundlegend menschliches Phänomen: „Die größte Schwierigkeit der Welt besteht nicht darin, Leute zu bewegen, neue Ideen anzunehmen, sondern alte zu vergessen“.

 

Phase 2 – Wüstenzeit und Loslassen

… Zeit des mutigen Erkennens

In einem intensiven, noch andauernden Prozess des Fragens und Analysierens betrachteten wir mit der notwendigen inneren Distanz unseren Ist-Zustand und suchten Gottes Reden.

Was bewirkte Gott in der Vergangenheit durch uns und wo blieben unsere Wünsche und Erwartungen unerfüllt? Was an dem bisher Bewährten sollte zu Ende gehen, was sollte in einer neuen Form weitergeführt werden? Haben wir jederzeit in unserem Bemühen, Gott zu dienen, die Dinge so getan, wie er es wollte? Gibt es Dinge, die wir neu sehen sollen? Besteht eine Differenz zwischen dem, wie wir uns selbst sehen, und dem, wie wir von außen wahrgenommen werden? Diese unvermeidbare Phase der Innenansicht macht mitunter unsicher und vermittelt ein Gefühl an Grenzen zu stehen. Das Abgleichen von Selbst- und Fremdwahrnehmung machte aber auch Überraschendes sichtbar und lenkte den Blick des nehemia teams in eine neue Richtung. Selbsterkenntnis und das Loslassen von Liebgewonnenem prägten diese „Wüstenzeit“. Antoine de Saint-Exupery sagte einmal: „Gott gibt uns nicht, was wir uns wünschen, sondern was wir brauchen, damit wir lernen und uns weiterentwickeln.“ So ist jede Wüstenzeit eine Zeit der besonderen Gottesbegegnung. Für uns als nehemia team bedeutet dies eine Herausforderung, nicht nur das Neue anzunehmen, sondern manches Bewährte loszulassen.

 

Phase 3 – Die Zwischenzeit Gottes verstehen

… Warten, Stillsein, Hören und Erkennen

Jeder kennt das: diese Phase, in der etwas Gewohntes verlassen wurde und das Neue noch nicht da ist; loslassen, ohne etwas adäquates Neuwertiges in den Händen zu halten. Zum Einem ist noch nichts Greifbares da, zum Anderem werden die neuen Herausforderungen, die kommen werden, schon schemenhaft am Horizont wahrgenommen. Diese Situation ist ein neutraler Raum, in der eine äußerst kreative und innovative Wirksamkeit erfahrbar wird. Geprägt von einer besonderen Suche nach Gott und seiner Führung zeigt diese Zeit der Erneuerung frische Möglichkeiten auf. Sie ist geprägt vom zunehmenden Wissen, was sich verändern soll und verändern wird, gleichwohl gefühlsmäßig gekennzeichnet von einer nicht unerheblichen Ungewissheit, da das Kommende größtenteils noch unerkannt ist. Gott wird einer neuen Art wahrgenommen, weil sich das Herz von Altbewährtem verabschiedet hat. Er redet und handelt Intensiv, gibt ganz neu Sicherheit. Für uns als nehemia team stellten wir uns die Frage, ob mit dem bisher Gelernten das „Neue Land“ gestaltet werden kann. Qualität statt Quantität in der Tiefe unsere Wirksamkeit steht im Mittelpunkt. Die ganzheitliche Nachhaltigkeit wurde zum neuen Fokus unseres Handelns.

 

Phase 4 – Die Jordanzeit

… oder auch der Neubeginn

Die Jordanzeit steht symbolisch für die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Neuanfang. Der Prozess der Neuausrichtung formte in einer bedeutsamen Weise eine neue Identität von Israel. Die Generation, die am Jordan stand, unterschied sich von der Generation, welche die Wüste durchwandert hatte. Deswegen galt es, dieser neuen Personengruppe Raum zu schaffen. Mit einem veränderten vertrauensvollen Gottesbild, mit einer neuen inneren Ausrichtung, wagte sie, wozu die Pioniergeneration nicht mehr fähig war. In dieser Situation werden die Vision und die kommenden Ziele neu definiert und erfasst. Die Strategie Gottes ist klar. Die Rolle der „Alten“ verändert sich. Sie werden immer mehr zu Menschen, die ihr Erfahrungswissen als „Väter und Mütter“ in Christo an eine jüngere Personengruppe weitergeben. Auch wir im nehemia team wollen einer neuen Generation Platz und Raum schaffen, damit sie im Auftrag Gottes das bewirken kann, wozu sie von Gott bestimmt und gerufen ist. An uns „Alten“ im nehemia team liegt es, ob der „Generationswechsel“ klappt und somit das nehemia team in den kommenden Jahrzehnten wiederum zum Segen für viele Menschen wird.

 

Phase 5 – Das neue Land einnehmen

… Das Neue leben!

Israel nahm sein neues und verheißenes Land ein. Im Volk wurde eine neue geistliche, wie auch menschliche Dynamik freigesetzt. Die veränderten Lebens- und Rahmenbedingungen schafften völlig neue Handlungsoptionen und Lebensmöglichkeiten für das Volk des Alten Bundes. Die erneuerte Vision vom verheißenen Land wurde nicht nur als gedankliches Konzept (als Gesellschaftsutopie) begriffen, sondern auch in der tagtäglichen Praxis umgesetzt. Als nehemia team spornt uns dieses Beispiel an. Die Klarheit im Auftrag gestattet eine veränderte Umsetzungspraxis, ermöglicht neue Handlungsmöglichkeiten und gibt dem eigenen Wirken ein eindeutiges Ziel. In diesem Sinne werden wir als nehemia team auch zukünftig «Leben entwickeln».

Mathias Hühnerbein